Friedenspreis Dresden
WILLKOMMEN BEIM FRIEDENSPREIS DRESDEN
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Laudatio zur Verleihung des Dresdner Friedenspreises

an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte am 16. Februar 2025 in der Semperoper in Dresden

Sabine Leutheusser–Schnarrenberger, Bundesjustizministerin a.D.

Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident Marko Bošnjak,
sehr geehrte Richterinnen und Richter des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, sehr geehrte Mitarbeitende,
sehr geehrte Frau Ministerin Geiert,
sehr geehrte Frau Klepsch,
Sehr geehrter Wolf Biermann,
sehr geehrter Herr Bönninger,
sehr geehrter Herr Ufer,
sehr geehrter Herr Walther,
verehrte Festgäste,

Was gehörte unverzichtbar zu den Antworten auf die barbarischen  Verbrechen gegen die Menschlichkeit des Nazi-Unrechtsregimes, deren Dimension bis heute das Vorstellungsvermögen überschreitet? Die Schaffung einer regelbasierten Weltordnung mit der Verpflichtung auf  universelle Werte, die anwendbar und durchsetzbar sind und wie ein Schutzschirm gegen staatliche Willkür, Unterdrückung, Diskriminierung, Folter und  Mord wirken sollten. Präventiv und repressiv.

Deshalb verständigten sich 56 Staaten, von denen sich 8 enthielten,  am 10. Dezember 1948  auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen - wirkungsmächtig, selbstverpflichtend, aber rechtlich nicht bindend sind ihre Attribute.

Diesem ersten Schritt mussten deshalb unbedingt weitere folgen hin zu einer kollektiven Garantie dieser Rechte.  Denn allen Menschenrechtsakteurinnen und -akteuren war klar, dass es wirksamer rechtlicher Instrumente bedurfte, um diesen Rechten auch Kraft zu verleihen und künftig in ihren grundlegenden Rechten Verletzten wirklich zu helfen - mit der Stärke des Rechts.

Das war der eigentliche Grund für den Zusammenschluss von 10  Staaten zum Europarat, einer  regionalen Organisation, deren rechtliche und inhaltliche Grundlage die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten ist, abgekürzt EMRK genannt. Vor 75 Jahren wurde die EMRK von diesen 10 europäischen Staaten unterzeichnet.

Dem Inkrafttreten der Konvention 1953 folgte 1959 die Gründung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs als Teil eines zweistufigen Systems. Beschwerden wurden zunächst von der Europäischen Menschenrechtskommission geprüft, bevor sie an den Gerichtshof verwiesen wurden.

Das 11. Zusatzprotokoll zur Konvention trat 1998 in Kraft und reformierte den Gerichtshof grundlegend. Mit ihm wurde ein ständig tagender Gerichtshof ins Leben gerufen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

Diese nüchternen rein darstellenden  Worte können nicht annähernd die wirkliche Bedeutung und Weitsicht dieser damaligen Entscheidungen zum Ausdruck bringen.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ( EGMR ) sollte Menschen in den heute 46 Mitgliedstaaten des Europarates vor Verletzung ihrer Menschenrechte und Grundfreiheiten schützen. Für  680 Millionen Bürgerinnen und Bürger ist er die Instanz der Hoffnung, die ihre Rechte garantiert. Denn sie können sich auch ohne Anwalt an ihn unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips wenden.

Die schrecklichen Erfahrungen seit 1933 hatten die Regierungen zu der Überzeugung gebracht, dass es nach Ende des 2. Weltkrieges eines zukunftsweisenden internationalen Vertragswerkes bedurfte, um Regierungen Einhalt vor der Unterdrückung ihrer Bürgerinnen und Bürger aus politischen, ideologischen oder religiösen Gründen zu gebieten- also gegenüber staatlichen Machtbestrebungen auch abschreckend zu wirken. Denn welcher Staat liesse sich gern vor einem europäischen Gericht wegen Menschenrechtsverletzungen verurteilen – so die damalige Überlegung.

Die Realität bis heute zeigt: gern natürlich nicht, aber verurteilen schon. An zu wenig Arbeit mangelt es dem EGMR mit jährlich bis zu 50 000 Beschwerden nicht. Ganz im Gegenteil: Die Arbeitsbelastung ist enorm.

 Allein zur Türkei ergingen 2023 807 und bis Juli 2024 449 Urteile. Anhängig vor der Kammer mit 7 Richterinnen und Richtern  sind 2024 5158 Verfahren.

Auch wenn sich Geschichte nicht wiederholt, wiederholen sich immer wieder dieselben Mechanismen autoritärer Machthaber, angebliche Feinde auszugrenzen, einzusperren oder sogar  zum Schweigen zu bringen, auch mit den Mitteln des Rechts.

Zum eigenen Machterhalt werden immer wieder die fundamentalen Rechte von Bürgerinnen und Bürgern verletzt - besonders das Recht auf Leben, das Verbot der Folter und unmenschlicher oder erniedrigender  Behandlung sowie das Recht auf einen fairen Prozess.

Und deshalb ist der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte oft die letzte Hoffnung für Verfolgte, Inhaftierte und Verurteilte in der eigenen Heimat. Diese Menschen haben  ihre Grundrechte ernst genommen, haben sich den Mund nicht  verbieten lassen und ihre eigene Meinung gesagt, sie leben ihren eigenen persönlichen Lebensentwurf oder gehören einer Religion an, die nicht die Mehrheitsreligion ist.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ist ihre letzte Hoffnung, weil sie eben  im nationalen Recht und von der nationalen Justiz keine Unterstützung bekommen haben. Das kann nicht nur in der Türkei, in Aserbeidschan oder der Ukraine geschehen, sondern auch in Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Nicht nur gegen Italien, Polen, Griechenland und Rumänien werden immer wieder Beschwerden erhoben, auch Deutschland ist immer wieder betroffen. 199 Urteile sind gegen die Bundesrepublik Deutschland zwischen 1959 und 2020 ergangen. Es geht um Rechte des biologischen Vaters, um Leistungen für Kinder von Ausländern,  um die Voraussetzungen für die Sicherungsverwahrung, um medizinische Behandlung von Häftlingen, um überlange Gerichtsverfahren.

Aber auch wie gerade erst Ende Januar 2025 entschieden, um illegale Müllvergrabungen der Mafia in Italien, gegen die die italienische Regierung viel zu wenig tut. Die Rate von Krebserkrankungen ist in den Gebieten besonders hoch. 40 Betroffene haben beim EGMR Recht bekommen. Italien muss innerhalb von 2 Jahren effektive Maßnahmen ergreifen, andernfalls drohen hohe Strafen.  

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ist als letzte justizielle Instanz unverzichtbar. Unrecht bleibt nicht straflos. Für Rechtlosigkeit ist kein Raum. Das Recht des Stärkeren hat keinen Platz.

Es ist mir deshalb eine große Freude, dass heute der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte  mit dem Dresdner Friedenspreis ausgezeichnet wird und dass ich die Laudatorin sein darf.

Ich gratuliere dem Präsidenten des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, Ihnen Herr Marko Bosnjak, und ihren 46 Richterinnen und Richtern und all ihren Mitarbeitenden sehr herzlich zu dieser Wertschätzung Ihrer Arbeit. Denn:

Sie sprechen Recht und  schaffen Gerechtigkeit. Sie  helfen Verfolgten und Unterdrückten, geben Hoffnung und mit dem Zuerkennen von Entschädigungen auch etwas Genugtuung. Sie können geschehenes Unrecht nicht vollumfänglich aufarbeiten, aber Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit feststellen und Konsequenzen einfordern.

Sie, die sie den  EGMR verkörpern, sind die Gesichter eines Europas, das auf Rechtsstaatlichkeit setzt, auf essentiellen Werten aufbaut, die jedem Menschen  das Recht zur  eigenständigen Persönlichkeit  sichert. Lassen Sie es mich so sagen: Sie sind das gute, das positive Gesicht Europas, das uns optimistisch stimmt. Mit der Verteidigung der Menschenrechte leisten Sie einen wichtigen Beitrag zum friedlichen Zusammenleben, so können Brücken gebaut werden.

Aber das gelingt nicht immer.  Regierungen in Mitgliedstaaten verändern sich, werden autokratischer, gehen gegen Oppositionelle vor und verletzen die Menschenrechte. So ergingen in jüngerer Zeit etliche einstweilige Verfügungen oder Urteile des EGMR, welche die Freilassung von Oppositionellen oder Medienschaffenden etwa in Aserbeidschan, der Türkei und Russland verlangten. Im Februar 2021 forderte  der EGMR erneut Russland erfolglos auf, den Oppositionspolitiker Alexey Nawalny unverzüglich aus der Haft zu entlassen. Russland verweigerte die Umsetzung.   

Im April 2023 wurde Russland zu Entschädigungszahlungen in Höhe von 130 Millionen Euro an Georgien verurteilt, da Russland nach dem Kaukasuskrieg 2008 Folterungen und Plünderungen zugelassen und somit gegen die Menschenrechtskonvention verstoßen hatte.

Russland ist seit 2022 nicht mehr Mitglied des Europarates. Dem Ausschluss wegen des Ukraine – Krieges ist Russland  zuvorgekommen und kündigte damit auch die Bindung an die Europäische Menschenrechtskonvention auf, womit Russland auch nicht mehr der Gerichtsbarkeit des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte unterliegt.

In der Geschichte des Europarats gab es nur einmal einen ähnlichen Vorgang, als sich 1969 die griechische Militärdiktatur zurückzog, um dem Ausschluss zu entgehen. 1974 wurde Griechenland dann wieder aufgenommen.

Es ist für den Europarat nur begrenzt möglich, autoritären Herrschaftspraktiken wirkungsvoll entgegenzutreten. Aber außerhalb des Europarates und der Zuständigkeit des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs geht den Menschen die letzte Möglichkeit auf Zugang zum Recht verloren. Das unterstreicht noch einmal die Bedeutung des heute ausgezeichneten Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.

Er muss seine Arbeit frei von politischem Druck ausüben können.

Für diese wichtige Aufgabe ist die Unabhängigkeit als Instanz und die der  Richterinnen und Richter unverzichtbar. Deshalb beträgt die einmalige hauptberufliche Amtszeit 9 Jahre, der  Heimatstaat kann also noch so viele Erwartungen an die Entscheidungen „seiner“ nationalen Richter oder Richterin richten,  sie sind nicht abhängig, noch einmal für eine zweite Amtszeit vorgeschlagen werden zu müssen. Die Richterinnen und Richter repräsentieren weder die Klägerin oder den Kläger

noch die Staaten. Der nationale Richter ist stets Teil des Spruchkörpers des Gerichtshofs, wenn Fälle von einer Kammer mit 7 Richtern oder von der Großen Kammer mit 17 Richtern verhandelt werden.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ist eine europäische Institution, die auch gegen so manchen Zeitgeist steht wie z. B. die  Ausgrenzung des Einzelnen auch durch  Überbetonung der Identitätsbildung auf Grund persönlicher Merkmale wie der Abstammung, Ethnie, Religion, Kultur, Geschlecht. Das allgemeine Diskriminierungsverbot wurde mit dem 12. Zusatzprotokoll eingeführt und gilt seit April 2005.

Sie verteidigen die Meinungsfreiheit gegen politischen Mainstream, auch wenn so manche Aussagen unerträglich sind wie das Reden vom deutschen Schuldkult, der die Zukunftsfähigkeit Deutschlands  behindere oder Verschwörungserzählungen über die angebliche Verantwortung von Juden für die Corona Pandemie. Beispiele gibt es viele, umso wichtiger ist eine Grenzziehung zwischen Meinungsfreiheit und strafrechtlich relevanten Äußerungen. Volksverhetzung kann mit keinem Argument gerechtfertigt werden. Sie vergiftet gesellschaftliches Klima und kann Spaltungen vertiefen.

Auch mit Parteiverboten hat sich der EGMR immer wieder beschäftigen müssen und anhand der Konventionsrechte auf Vereinigungsfreiheit ( Art. 11 EMRK ) und Meinungsfreiheit ( Art. 10 EMRK ), die beide den Pluralismus als unabdingbare Voraussetzung für die Demokratie sichern, Kriterien für eine Rechtfertigung der Eingriffe für ein Parteiverbot entwickelt. Diese Rechtsprechung hat dazu geführt, dass z. B. einige Parteienverbote des türkischen  Verfassungsgerichts als Verletzung von Konventionsrechten der vom Verbot betroffenen Partei festgestellt wurden.

Und 2024 entschied der EGMR zugunsten der Klimaseniorinnen und hat die Schweiz wegen mangelndem Klimaschutz verurteilt. In seiner Urteilsbegründung stellt der Gerichtshof fest, dass Artikel 8 EMRK verletzt wurde, also   das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, der Wohnung und der  Korrespondenz. Es geht um das Leben in Zukunft. Eine gesunde und nachhaltige Umwelt ist nach Überzeugung des Gerichts der Schlüssel für ein menschenwürdiges Leben. Bei seiner Urteilsfindung hat  der Gerichtshof Urteile höchster Gerichte wie des Bundesverfassungsgerichts in Deutschland, in Belgien, Frankreich und Niederlande berücksichtigt, in denen es ebenfalls um den Schutz der Menschenrechte in Bezug auf den Klimawandel ging. Diese Entscheidungen dienten dem EGMR als Referenzpunkte, um die neuen und komplexen Fragen rund um den Klimawandel und die damit verbundenen Menschenrechtsfragen zu beurteilen. Die EMRK ist wie das Grundgesetz ein lebendiges Instrument, das  weiter entwickelt wird und so an veränderte gesellschaftliche und rechtliche Umstände angepasst wird.

Der Menschenrechtsschutz braucht gerade heute starke Verfechter. Denn Rechtspopulisten, Anhänger autoritärer Strukturen und Verächter der liberalen Demokratie werden in vielen Staaten immer stärker, teilweise regieren sie schon mit. Sie lehnen universelle Menschenrechte und den Pluralismus ab. Minderheiten werden ausgegrenzt und das Gesellschafts- und Familienbild wird konservativer.

Die Werte der Menschenrechtskonvention zu verteidigen ist wichtiger denn je. Sie, Herr Präsident und Ihre Richterinnen und Richter sind Teil der regelbasierten Menschenrechtsordnung in Europa, die gegen menschenverachtende Ideologien verteidigt werden muss. Sie muss auch verteidigt werden  gegen die Behauptung angeblicher Einmischung in die eigenen nationalen Angelegenheiten durch Urteile des EGMR. Dabei wird bewusst verkannt oder geleugnet, dass Mitgliedstaaten des Europarates mit der Ratifikation der Europäischen Menschenrechtskonvention auch den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof anerkannt haben und europäisches Recht damit in ihre nationale Rechtsordnung integriert wurde.

Sehr geehrte Damen und Herren,

Wir erleben derzeit massive Angriffe vom amerikanischen Präsidenten auf den Internationalen Strafgerichtshof, seine Richterinnen und Richter und seine Mitarbeitenden. Es sind Sanktionen in Form von Visaentzug und Kontensperrungen, die die Arbeitsfähigkeit des internationalen Gerichts beeinträchtigen sollen. Grund ist besonders der Haftbefehl gegen den israelischen Regierungschef. Das ist ein ungeheuerlicher Vorgang gegen das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit, gegen die internationale Weltordnung und Ausdruck des Machtverständnisses des amerikanischen Präsidenten. Wirtschaftliche Stärke soll das Recht toppen.

Umso wichtiger ist die Absicherung der Unabhängigkeit des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und eine breite politische und gesellschaftliche Unterstützung.

Wir brauchen die Stärke des Rechts, für Deals zwischen Menschenrechtsverletzungen und Zöllen gibt es keinen Raum.

Wir brauchen diesen starken, unabhängigen Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Der Friedenspreis Dresden möchte Sie mit dieser Auszeichnung stärken.

Herzlichen Glückwunsch.

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Dankesrede

Preisverleihung des Internationalen Friedenspreises Dresden

Marko Bošnjak, Präsident des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte

 

Sehr geehrte Gäste, geschätzte Mitglieder der Jury des Dresdner Friedenspreises, meine Damen und Herren,

mit Freude, großer Ehre und Dankbarkeit nehme ich den Dresdner Friedenspreis im Namen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte für seinen besonderen Beitrag zu Frieden und Völkerverständigung entgegen.

Diese Auszeichnung ist nicht nur eine Anerkennung der Arbeit des Gerichtshofs, sondern unterstreicht auch die Bedeutung des Europarats und seines „Kronjuwels“, der Europäischen Menschenrechtskonvention, als Friedensprojekte, die auf dem Grundsatz basieren, dass demokratische Regierungen, die die Menschenrechte und die Rechtsstaatlichkeit achten, nicht gegeneinander in den Krieg ziehen.

Die Konvention ist ein aus der Asche des Krieges entstandener Vertrag, der als Bollwerk gegen künftige Konflikte und als Beweis für die dauerhafte Hoffnung der Menschheit auf Frieden dienen soll. Dieses Jahr feiern wir sein 75-jähriges Jubiläum.

Dresden, eine Stadt, die im Zweiten Weltkrieg völlige Zerstörung und unvorstellbares Blutbad erlebte, ist für uns ein geeigneter Ort, um über die Rolle des Konventionssystems bei der Schaffung von Bedingungen für einen dauerhaften Frieden in Europa nachzudenken.

Das Konventionssystem als Friedensprojekt

Mit der Verabschiedung der Konvention am 4. November 1950 sicherte Europa bestimmte Rechte, die zwei Jahre zuvor in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verankert waren. Die Idee dahinter war einfach, aber tiefgreifend: Durch den Schutz der Menschenrechte und der demokratischen Regierungsführung sowie die Sicherstellung ihrer Durchsetzung könnte Europa dauerhaften Frieden sichern.

Die beispiellose Verwüstung, Brutalität und das menschliche Leid des Zweiten Weltkriegs sowie die Schrecken des Holocaust haben auf dem Kontinent tiefe Narben hinterlassen. Doch aus diesem Abgrund erwuchs die kollektive Entschlossenheit, eine Zukunft aufzubauen, in der sich solche Gräueltaten nie wiederholen würden.

Die damaligen europäischen Staats- und Regierungschefs erkannten, dass diese Gräueltaten nicht nur das Ergebnis militärischer Aggression, sondern auch eines Totalitarismus waren, der zur systematischen Erosion der Menschenwürde, zur Unterdrückung demokratischer Prinzipien und zum Zusammenbruch der Rechtsstaatlichkeit führte. Sie verstanden, dass dauerhafter Frieden nicht allein durch Friedensverträge und Bündnisse erreicht werden konnte, dass Frieden nicht einfach die Abwesenheit von Krieg bedeutet und dass Menschenrechtsverletzungen die Saat für Konflikte, Spaltung und Gewalt legen.

Wahrer und dauerhafter Frieden erforderte das Vorhandensein von Gerechtigkeit, Menschenrechten, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie das Bekenntnis zur inhärenten Würde und zum Wert jedes Menschen.

Die Konvention war eine Antwort auf diese bedeutsame Herausforderung. Es handelte sich um ein mutiges und kühnes Friedensprojekt, das einen rechtlichen und moralischen Rahmen schuf, um den Abstieg in Tyrannei und Konflikte zu verhindern, und eine institutionelle Formulierung des Prinzips „Nie wieder“ als Frühwarnsystem gegen den Krieg.

In den letzten 75 Jahren hat die Konvention viel erreicht. Es hat uns von der Todesstrafe befreit und sich in die nationalen Rechtssysteme integriert und ist zu einem „verfassungsmäßigen Instrument der europäischen öffentlichen Ordnung“ geworden, einem Kitt, der uns trotz unserer vielen Unterschiede und der historischen und politischen Rivalitäten zwischen unseren Staaten rund um unsere gemeinsamen Werte zusammenhält.

Entscheidend ist, dass die Konvention nicht nur eine Erklärung guter Absichten war, sondern das erste verbindliche internationale Instrument zur Durchsetzung der Menschenrechte. Die Gründer der Konvention haben vollkommen verstanden, dass es dort, wo ein Recht besteht, auch ein Rechtsmittel geben muss (ubi ius, ibi remedium) oder, was vielleicht noch wahrer ist, dass es ein Rechtsmittel geben muss, wenn die Rechte überhaupt etwas bedeuten sollen (ubi remedium, ibi ius).

Um sicherzustellen, dass es sich bei den Verpflichtungen der Staaten nicht nur um leere Versprechungen, sondern um echte und durchsetzbare Verpflichtungen handelte, schuf die Konvention zum ersten Mal überhaupt einen internationalen Aufsichtsmechanismus, der auf dem Recht der individuellen Anwendung basiert und es Einzelpersonen ermöglicht, Staaten vor einem internationalen Gericht – dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte – zur Rechenschaft zu ziehen.

Dies war ein revolutionäres Konzept und ein wichtiger Meilenstein für den Schutz der Menschenrechte in Europa und darüber hinaus. Es erkannte Einzelpersonen als Subjekte des Völkerrechts an und markierte eine deutliche Abkehr von dem traditionellen Grundsatz, dass die Handlungen eines Staates gegenüber seinen eigenen Bürgern außerhalb der internationalen Kontrolle lagen.

Ebenso bemerkenswert war, dass die Staaten mit der Akzeptanz dieses Mechanismus implizit anerkennen, dass sie ein gewisses Maß an institutioneller Kontrolle benötigen. Die Gräueltaten der Vergangenheit hatten ihnen gezeigt, dass unkontrollierte Macht, selbst wenn sie demokratisch zugewiesen wird, Gefahr läuft, beim Schutz der Menschenrechte zu versagen. Nachdem sie miterlebt hatten, welcher Schaden durch die Realität dieses Risikos verursacht wurde, erkannten sie, dass eine externe Aufsicht erforderlich war. Deshalb haben sie den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte sorgfältig entworfen und eingerichtet.

Der Gerichtshof, der oft als „Gewissen Europas“ bezeichnet wird, wurde diesen Idealen und Erwartungen gerecht. Im Laufe der Jahre entwickelte sich das Konventionssystem nicht nur zum fortschrittlichsten und wirksamsten internationalen Mechanismus zum Schutz der Menschenrechte, sondern auch zum etabliertesten und wirksamsten System der internationalen Justiz. Tausende Menschen haben sich im Laufe der Jahre an das Gericht gewandt, um ihre Rechte durchzusetzen.

Durch seine dynamische und sich weiterentwickelnde Auslegung der Konvention als „lebendiges Instrument“, das Rechte garantiert, die nicht „theoretisch oder illusorisch, sondern praktisch und wirksam“ sind, konnte der Gerichtshof die Konvention auf Situationen anwenden, die zum Zeitpunkt ihrer Annahme unvorhersehbar und unvorstellbar waren, einschließlich Fragen im Zusammenhang mit neuen Technologien, Bioethik oder Klimawandel.

Wir hören oft, dass zu diesen unvorhersehbaren und unvorstellbaren Situationen auch Konflikte gehören und dass die Konvention nicht für die Anwendung in Kriegszeiten gedacht war. Das ist nicht korrekt.

Die Rolle des Gerichts in Kriegszeiten: Kriege durch Menschenrechtsgesetze zügeln

Meine Damen und Herren, die Realität ist, dass es trotz aller Bemühungen immer noch zu Konflikten und Kriegen kommt. Krieg bleibt ein tragisches und hartnäckiges Element der Menschheitsgeschichte.

Die Verfasser der Konvention waren sich dessen bewusst,

weigerten sich jedoch, dem alten lateinischen Sprichwort „Inter arma enim quiet leges“ („In Kriegszeiten schweigt das Gesetz“) zu folgen. Artikel 15 der Konvention sieht daher eindeutig vor, dass die Menschenrechte auch in Kriegszeiten gelten.

Der Gerichtshof selbst hat im Einklang mit der Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofs wiederholt bestätigt, dass die Schutzbestimmungen der Konvention auch in Situationen internationaler bewaffneter Konflikte weiterhin gelten, wenn auch vor dem Hintergrund der Bestimmungen des humanitären Völkerrechts ausgelegt.

In solchen Zeiten verlagert sich der Schwerpunkt von der Verhinderung eines Krieges auf die Eindämmung seiner Schrecken und die Sicherung der Rechenschaftspflicht. Als lebendiges Instrument stellt die Konvention einen wichtigen Schutz gegen Kriegsexzesse dar, indem sie den Opfern Rechtsmittel bietet und beweist, dass Gerechtigkeit auch während eines Konflikts möglich bleibt.

Selbst mitten im Krieg interpretiert der Gerichtshof die Konvention als Instrument zur Eindämmung der Gewalt und der Verwüstungen des Krieges und zur Linderung des Leids, indem sichergestellt wird, dass humanitäre Grundsätze gewahrt bleiben.

Die Urteile des Gerichtshofs in Fällen bewaffneter Konflikte – sei es in Nordzypern, im Kaukasus oder in der Ukraine – haben bekräftigt, dass Staaten Militäreinsätze in einer Weise durchführen müssen, die die Menschenwürde respektiert und den Schaden für Zivilisten so gering wie möglich hält. Dabei versucht der Gerichtshof nicht, das humanitäre Völkerrecht zu ersetzen, sondern es zu stärken und zu ergänzen.

Die Konvention als Instrument der Übergangsjustiz und der Versöhnung nach Konflikten

Über ihre Rolle bei der Verhütung und Milderung von Konflikten hinaus dienen die Konvention und die Urteile des Gerichtshofs auch als wichtiges Instrument der Übergangsjustiz.

Sie bilden die Grundlage für Nachkriegsregelungen, beispielsweise im Zusammenhang mit den Unruhen in Nordirland und dem Krieg in Bosnien und Herzegowina: Die Konvention spielt eine wichtige Rolle im Karfreitagsabkommen und ist Teil des Friedensabkommens von Dayton.

Diese Beispiele verdeutlichen, dass die Menschenrechtskonvention nicht nur ein theoretisches Instrument ist; Es ist ein praktisches Instrument zum Aufbau eines gerechten und dauerhaften Friedens. Es bietet Einzelpersonen die Möglichkeit, Wiedergutmachung zu fordern, fördert die Versöhnung durch die Gewährleistung von Gerechtigkeit und unterstützt Post-Konflikt-Gesellschaften beim Übergang vom Krieg zur Demokratie.

Schlussbemerkungen

Während wir über die Vergangenheit nachdenken und die Errungenschaften des europäischen Menschenrechtssystems feiern, müssen wir auch in die Zukunft blicken. Die Herausforderungen, vor denen wir heute stehen – zunehmender Autoritarismus, populistische Angriffe auf die Unabhängigkeit der Justiz, die Erosion demokratischer Normen – erinnern uns daran, dass der Kampf für Menschenrechte und Frieden einpermanenter Kampf ist.

Wir müssen bei der Verteidigung der Grundsätze, auf denen die Konvention beruht, wachsam bleiben. Das Gericht kann dies nicht allein tun; Es erfordert die unerschütterliche Unterstützung von Staaten, der Zivilgesellschaft und Einzelpersonen, die an Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit glauben. Wir müssen sicherstellen, dass die Konvention ein lebendiges, atmendes Dokument bleibt – eines, das sich mit der Zeit weiterentwickelt und gleichzeitig seiner Kernaufgabe treu bleibt: die Menschenwürde zu schützen und den Frieden zu sichern.

Lassen Sie uns weiterhin zusammenarbeiten, um Kriege durch Gerechtigkeit zu verhindern, Gewalt durch Recht einzudämmen und eine Zukunft aufzubauen, in der Frieden nicht nur ein Wunsch, sondern Realität ist.

Das Gericht fühlt sich geehrt, den Dresdner Friedenspreis zu erhalten. Wir akzeptieren es nicht nur als Anerkennung unserer bisherigen Arbeit, sondern auch als Aufruf zum Handeln für die Zukunft.

Vielen Dank!

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Grußwort / Einführende Worte von Gerhart Baum

vorgetragen von Jürgen Bönninger

Mein Freund, Gerhart Baum, hat mich gebeten, die von ihm verfasste Botschaft hier zu verlesen. Wir haben in all den Wochen der Vorbereitung eng zusammengearbeitet. Leider schreitet seine Rekonvaleszenz nicht so zügig voran, wie wir das erhofft hatten.
(Anm. d. R.: Gerhart Baum verstarb am 15.02.2025, einen Tag vor der Friedenspreisverleihung, in seiner Wahlheimat Köln).

Botschaft von Gerhart Baum

Die Lage ist ernst, meine Damen und Herren. Wir befinden uns in aufgewühlten Zeiten, nicht nur hier im Lande in einem Wahlkampf, sondern weltweit.

Aber dieser Wahlkampf ist heute nicht mein Thema. Aber was ist dann heute mein Thema? Freiheitsfeinde versuchen, eine neue Weltordnung durchzusetzen, die die Menschenrechte nicht mehr respektiert; gegen die Regeln der Vereinten Nationen, die 1947 zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit Menschenrechtsschutz und Friedenssicherung in einen untrennbaren Zusammenhang gebracht hatten. Und das mit der Unterstützung fast aller Völker dieser Welt! Dieser Konsens ist zerbrochen - spätestens mit Putins Angriffskriegen. Oligarchen – an der Spitze Elon Musk – mischen sich neuerdings in das Regierungshandeln ein, ohne dafür die geringste demokratische Legitimation zu haben. Geld- und Machtgier treibt sie an. Elon Musk will uns sogar vorschreiben, wie wir mit unserer Geschichte umgehen sollen. Lassen wir nicht zu, dass unsere Erinnerungskultur beschädigt wird, sie hat unserer Demokratie gutgetan.

Überall in der Welt drohen Brände. Die Menschheit entfernt sich von dem hellen Licht der Aufklärung in die Dunkelheit der Despotien. Längst überwunden geglaubte Debatten brechen wieder auf. Am schlimmsten ist der sorglose Umgang mit Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit, mit dem unfassbaren Versuch, ganze Teile der in Deutschland lebenden Menschen zu „remigrieren“.

Wir, die Demokraten, haben diese Zeichen zu spät wahrgenommen. Es wird höchste Zeit, dass wir aufwachen. Die Gesellschaft muss begreifen, was auf dem Spiel steht. Jetzt geht es nicht nur um eine einfache Zeitenwende wie bei der Finanzierung der Bundeswehr als Reaktion auf den russischen Angriff auf die Ukraine, sondern wir stehen vor einem Epochenbruch! Wir müssen unsere Zukunft neu denken. Und neu definieren, was künftig Fortschritt sein soll. Wir müssen Ängste bekämpfen - denn Angst ist der hinterhältige Dämon der freien Gesellschaft!

Eine wehrhafte Demokratie – und das sind wir - darf nicht zulassen, dass eine freiheitliche Verfassung benutzt wird, um diese abzuschaffen. Dieser Prozess ist aber im Gange. Wir müssen uns wehren. Warum nutzen wir nicht unsere Verfassung gemäß ihrem Auftrag, Verfassungsfeinde in die Schranken zu weisen? Es muss überlegt werden, ob ein Verbot der AfD das geeignete Mittel ist. Aber noch wichtiger ist die Haltung von uns allen.

Viele Menschen haben den Deutschen nicht zugetraut, eine lebendige Demokratie aufzubauen. Wir haben sie widerlegt, auch hier in Dresden mit und nach der Friedlichen Revolution, für die Dresden ein wichtiges Zentrum war. Und wir müssen jetzt wieder beweisen, dass die Deutschen Demokratie können.

Mit der Auszeichnung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte mit dem diesjährigen Friedenspreis wollen wir deutlich machen, dass auch das Recht eine Waffe gegen das Unrecht ist. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat dies jahrzehntelang unter Beweis gestellt und zur Festigung der Freiheit und der Menschenrechte beigetragen. Dafür, Herr Präsident Bosnjak, möchten wir Sie stellvertretend für den Gerichtshof heute ehren. Unsere Laudatorin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger wird das im Einzelnen ausführen.

Der heutige Tag ist für Dresden von besonderer Bedeutung. Und auch für mich persönlich. Nicht nur, dass wir heute zum 15. Mal den Friedenspreis Dresden verleihen - inzwischen ein international anerkannter Preis, auch mit großer emotionaler Wirkung - sondern auch für mich ganz persönlich, der als gebürtiger Dresdner vor genau 80 Jahren als Zwölfjähriger hautnah die Zerstörung dieser Stadt erleben musste. Es war das Schicksal zwar vieler Städte damals, aber Dresden ist ein Sonderfall. Die Stadt war bis zum 13. Februar 1945 vom Krieg nahezu verschont. Bis zu diesem Tag lebte ich als behütetes Kind in einer bürgerlichen Familie. Dresden wurde in einer einzigen Nacht zerstört und das kurz vor Kriegsende. Ich überlebte mit meiner Mutter und meinen beiden Geschwistern. Aber diese entsetzliche Erinnerung hat sich tief in meine Seele eingebrannt – bis heute. 

Schon früh hatte ich den Wunsch, aktiv an einer Zukunft mitzuwirken, die der Verantwortung der Deutschen für diese Menschheitsverbrechen nachspürt. Ich wurde Politiker und habe mein ganzes berufliches Leben dem Aufbau und der Gestaltung einer von Menschenwürde getragenen Demokratie in unserem Land gewidmet. Wir Deutsche sind späte Demokraten. Erst mit dem Grundgesetz sind wir wirklich in der Demokratie angekommen. Franzosen, Amerikaner und Engländer haben die parlamentarische Demokratie bereits im 18. Jahrhundert praktiziert.

Bereits vor dem Mauerfall habe ich mich mit den Friedens- und Menschenrechtsgruppen in Dresden zusammengefunden und die Verbindung nach der Friedlichen Revolution intensiviert bis heute. Den Friedenspreis Dresden habe ich von Anfang an – seit 2010 - miterleben und auch mitgestalten dürfen. In jedem Jahr wurde eine Initiative, eine Institution oder eine Person ausgezeichnet, die sich mit großem Einsatz - oft unter lebensbedrohlichen Umständen - für die Menschenwürde einsetzt. Alle Preisträgerinnen und Preisträger sind auf unterschiedliche Weise Beispiele, wie man für eine bessere Welt kämpfen kann. 

Die Stadt Dresden ist für mich nach wie vor ein wichtiger Bezugsort, ein Symbol - zum einen für eine Vergangenheit, wie wir sie nie wieder erleben wollen, aber nicht vergessen dürfen, und andererseits für die Hoffnung auf ein Leben in einer von Menschenwürde geprägten Demokratie.  

Antidemokratische Tendenzen haben in den letzten Jahren leider auch die Stadt Dresden in ein fragwürdiges Licht gerückt. Umso wichtiger ist es, dass die Menschen, die Mehrheit der Dresdner Bürgerschaft, Sie, die heute hier in die Semperoper gekommen sind, fest an die Demokratie und die Bürgerrechte glauben, zusammenhalten, aufstehen und kämpfen. Seien wir mutig, lasst uns handeln!

In diesem Zusammenhang möchte ich an den inzwischen leider verstorbenen Medizin-Nobelpreisträger Günter Blobel erinnern, der sich mit vielen Projekten in dieser Stadt engagiert hat und dessen Initiative wir auch den Friedenspreis Dresden verdanken. Ein Netzwerk von Menschen aus Politik und Gesellschaft hat geholfen diesen Preis zu realisieren und bis heute zu ermöglichen. Besonders danken möchte ich vor allem der Familie Tschira, die von Anfang an mit ihrer Klaus-Tschira-Stiftung die Finanzierung des Friedenspreises gesichert hat und das weiterhin tut. 

Es schmerzt mich, dass ich an dem heutigen Tag aus gesundheitlichen Gründen nicht persönlich auf der Bühne der Semperoper meine Grußworte sprechen kann. Aber bitte nehmen Sie meine Worte auch in dieser Form als Botschaft und als Dank für das, was Dresden trotz aller Störungen im Kern ist - eine liberale Stadtgemeinde, der Menschenrechte ein zentrales Anliegen ist. 

Dazu passt, dass mit dem heutigen Preisträger, dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eine Institution ausgezeichnet wird, die sich bereits seit Ende der 50er Jahre - auf den europäischen Raum bezogen - um Fragen zum Schutz der Menschenrechte und Grundrechte kümmert.

Darüber hinaus möchte ich allen danken, die zum Gelingen der Veranstaltung beigetragen haben – den Künstlern, dem Organisations- und Planungsteam, dem Team der Semperoper und natürlich Ihnen, den Dresdnerinnen und Dresdnern, die wie jedes Jahr zum Friedenspreis in die Semperoper kommen. Das nenne ich vorbildliches bürgerschaftliches Engagement und dies lässt mir trotz vieler aktueller Verunsicherungen weltweit Hoffnung auf das Überleben einer demokratischen Gesellschaft, die die Menschenrechte und die Würde des Einzelnen achtet. Das sei unser gemeinsames Ziel.

Der Schlüssel zur Bewältigung der heutigen Weltkrise heißt Besinnung, heißt Besonnenheit. Nur die Weltgemeinschaft - wie sie 1947 mit der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ sichtbar wurde – kann die Probleme lösen, die uns alle betreffen. Dazu wollen wir am heutigen Tage beitragen. Die Demokraten dieser Welt müssen jetzt zusammenhalten, um die Freiheit zu verteidigen!

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Grußwort Dresdner Friedenspreis 2025

Annekatrin Klepsch, Bürgermeisterin

Sehr geehrte InitiatorInnen und Mitglieder des Kuratoriums der Initiative Friedenspreis Dresden,
sehr geehrte Mitglieder des Deutschen Bundestages, des Sächsischen Landtages, des Dresdner Stadtrates,
sehr geehrte Frau Staatsministerin Prof. Geiert,
sehr geehrter Herr Bošnjak,
sehr geehrte Frau Leutheusser-Schnarrenberger,
lieber Jürgen Bönninger, Dr. Peter Ufer, Thomas Walther, 

ich freue mich, Sie im Namen der Landeshauptstadt Dresden zur diesjährigen Verleihung des Dresdner Friedenspreises hier in der Semperoper begrüßen zu dürfen. (Vor genau 40 Jahren wurde die Semperoper nach der Zerstörung im Februar 1945 und dem Wiederaufbau wiedereröffnet.) 

Verehrte Anwesende, 

das Jahr 2025 steht – europäisch betrachtet – unter besonderen Vorzeichen. 

Am 27. Januar haben Demokratinnen und Demokraten vielerorts des 80. Jahrestages der Befreiung des KZ Auschwitz gedacht. 

Am 8. Mai wird des 80. Jahrestages der Befreiung vom Zweiten Weltkrieg und der NS-Diktatur gedacht werden. Einer Diktatur, die keine Menschenrechte kannte, sondern den industriellen Massenmord an den europäischen Juden erfunden und vollzogen hat. 

Eine Diktatur, die keine Menschenrechte gelten ließ, sondern aus einer Rassenideologie heraus Gewalt verübt und Menschenrechte im In- und Ausland verletzt hat. 

In dieser Woche um den 13. Februar wird in Dresden jährlich der Zerstörung der Stadt im Februar 1945 und der 25.000 Toten gedacht. 

Die Zerstörung der Stadt Dresden kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs war die bittere Konsequenz aus den zuvor begangenen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit an religiösen und ethnischen Minderheiten, an politischen Gegnern, die von einer deutschen Regierung ausgingen. 

Das Gedenken an die Opfer des Krieges in Dresden soll in unserer Gegenwart auch ein Mahnen für den Frieden und die Wahrung der Demokratie sein. Demokratie als Voraussetzung für die Freiheit und die Wahrung der Menschenrechte ALLER Menschen. 

Der Friedenspreis Dresden wird seit 2010 in Dresden verliehen, initiiert und organisiert durch eine zivilgesellschaftliche Initiative. Damit geht von Dresden jährlich im Februar eine internationale Botschaft für Frieden und Demokratie aus, so auch im Jahr 2025. 

Ein unermüdlicher Fürsprecher für Frieden, Demokratie und Freiheit, und Mitinitiator des Friedenspreises Dresden war Bundesinnenminister a.D. Gerhard Baum, ein Sohn unserer Stadt, dem ich von dieser Stelle aus nur noch posthum danken kann. 

Dass im 80. Jahr der Befreiung vom Zweiten Weltkrieg und NS-Diktatur der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte den Friedenspreis Dresden erhält, ist ein starkes Signal, ist eine Botschaft an all diejenigen in Europa, die Menschenrechte einschränken wollen und das Grundrecht auf Asyl in Frage stellen. 

Ich gratuliere dem Preisträger Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte zum Friedenspreis Dresden 2025 und danke im Namen der Landeshauptstadt Dresden der Initiative Friedenspreis Dresden. 

Verehrte Anwesende, 

Geschichte wiederholt sich bekanntlich nicht, doch die Idee eines demokratischen und solidarischen Europas ist in Gefahr mit dem Erstarken von Rechtspopulisten und Nationalisten, die auf komplexe Fragen der Organisation unseres Zusammenlebens vermeintlich einfache Antworten anbieten. 

Lassen Sie uns deshalb wachsam und engagiert bleiben. Für Demokratie, Freiheit und Frieden! 

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Grußwort von Frau StMin Constanze Geiert zur Verleihung des Friedenspreises Dresden 2025

Constanze Geiert, Sächsische Staatsministerin der Justiz

Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin,
sehr geehrte Frau Leutheusser-Schnarrenberger, sehr geehrte Frau Prof. Staudinger,
sehr geehrter Herr Prof. Bönninger,
sehr geehrter Herr Dr. Ufer,
sehr geehrte Damen und Herren,

und vor allem: sehr geehrter Herr Dr. Bošnjak,

herzlich willkommen auch von mir zu dieser feierlichen Preisverleihung, hier in der Dresdner Semperoper.

Dieses Haus mit seiner besonderen Geschichte scheint mir der angemessene Ort, um einen Friedenspreis zu verleihen. Am 13. Februar 1945 ist die Semperoper zu großen Teilen zerstört, fast auf den Tag genau 40 Jahre später ist sie wiedereröffnet worden.

Noch einmal 40 Jahre später landen wir beim heutigen Tag. Und wenn wir jetzt, im Jahr 2025 auf die Welt schauen, dann gibt es viele gute Gründe, weiter für Frieden und gesellschaftlichen Zusammenhalt einzutreten.

Ich glaube, diesen Gedanken haben nur wenige Menschen mit so viel Überzeugung vertreten wie Gerhart Baum, der heute in unseren Gedanken ist. Als junger Mensch hat er in Dresden die Bombardierung miterlebt, und diese Erinnerung hat viel dazu beigetragen, aus ihm einen so couragierten Demokraten und einen so leidenschaftlichen Verfechter der Menschenrechte zu machen.

Diesen Anliegen ist auch der Friedenspreis Dresden verpflichtet.

Er wird bereits seit 15 Jahren verliehen. "Traditionell" verliehen, darf man da schon sagen – obwohl in diesem Jahr nicht alles ist wie immer.

Denn der Preis geht zum ersten Mal nicht an eine Einzelperson, sondern an eine Institution. Das scheint auf den ersten Blick eine etwas abstrakte Wahl – wie kann sich ein Gerichtshof für eine solche Auszeichnung empfehlen? Wie lässt sich seine Arbeit mit der von engagierten Menschen vergleichen, die den Friedenspreis in der Vergangenheit erhalten haben?

Diese Fragen sind mir als Juristin bestens vertraut. Denn die Organe der Rechtspflege kommen vielen Menschen eher abstrakt vor, als Hülle ohne konkretes Bild, als "gesichtslose" Institutionen. Deshalb greifen wir so gern auf Symbole zurück.

Die wohl bekanntesten sind die Justitia und die vielzitierten Waagschalen der Justiz. Sie prägen auch das Erscheinungsbild des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg, und sie umreißen zugleich treffend seine Hauptaufgaben:

Das rechte Maß finden – und Dinge in Balance halten.

Damit steht der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte stellvertretend für eine Justiz, der viel abverlangt wird. Und auf der große Hoffnungen ruhen. Denn sie trifft auch in diesen Zeiten ausgewogene Entscheidungen auf der Basis bestehenden Rechts.

Dabei darf nicht vergessen werden, dass diese Entscheidungen nicht möglich wären, wenn es nicht die Regelungen der Europäischen Menschenrechtskonvention gäbe. Sie sind es, über deren Verletzung oder Einhaltung der Gerichtshof befindet.

Die Vereinbarung der Menschenrechtskonventionen war eine Lehre aus dem Zweiten Weltkrieg – als die Menschen in Europa vor allem der Wunsch nach dauerhaftem Frieden verband.

Damals wurden Institutionen geschaffen, die diesen Frieden sichern und auf rechtsstaatliche Grundlage stellen sollten.

Dazu gehört der Europa-Rat, in dem sich Länder zusammengefunden haben, die damals, um 1950, auf eine ganz unterschiedliche Geschichte zurückblickten – und wenige Jahre zuvor noch Krieg gegeneinander geführt hatten.

Gerade die Erfahrung des Krieges und des millionenfachen Sterbens hat sie dazu bewegt, sich trotz ihrer unterschiedlichen Historie, ihrer unterschiedlichen religiösen Weltanschauungen und staatlichen Systeme auf einen gemeinsamen Rechtekanon zu einigen und sich diesem zu verpflichten. Solche Vereinbarungen und Bündnisse sind für die Mitglieder Garanten des Friedens.

Und wenn Staaten heute aus solchen Bündnissen ausscheren oder sie aufkündigen – darf uns das nicht egal sein.

Denn diese Bündnisse sind große Errungenschaften – Meilensteine der Europäischen Verständigung.

Eine solche große Errungenschaft ist auch der EGMR.

An ihn kann sich jede Person wenden, wenn alle innerstaatlichen Rechtsbehelfe erschöpft sind. Ihm obliegt die unabhängige Überprüfung einzelner Entscheidungen der Mitgliedsstaaten anhand der als unumstößlich vereinbarten Menschenrechte. Das ist ein ganz entscheidendes Kriterium der Rechtsstaatlichkeit – und nach wie vor von großer Bedeutung.

Doch zugleich bin ich überzeugt davon, dass für den Europäischen Gerichtshof im Grunde das gilt, was auch für unsere sächsischen Gerichte gilt:

Sie leben vom juristischen Sachverstand und vom Engagement hervorragend ausgebildeter und vor allem unabhängiger Fachleute. Und somit sind die Gerichte eben doch nicht gesichtslos. Sie werden von diesen Fachleuten mit Leben gefüllt.

Diese Menschen bilden das Rückgrat unseres modernen Rechtsstaats.

Und um ihre Arbeit zu tun, um ihrer großen Verantwortung gerecht zu werden, brauchen sie das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger, die angemessene Wahrnehmung in der Gesellschaft und auch die nötige Wertschätzung.

Eine solche Wertschätzung wird dem EGMR und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern heute mit dieser großartigen Auszeichnung zuteil.

Deswegen gratuliere ich dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte aus tiefstem Herzen zur Verleihung des Friedenspreises Dresden – und möchte abschließend eine Hoffnung wagen:

Ich hoffe, der Preis wird den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in seiner Arbeit bestärken – und all jene inspirieren, die sich mit ihrer Arbeit für Menschenrechte engagieren.

Sehr geehrter Herr Dr. Bošnjak, meinen herzlichen Glückwunsch an Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen zu dieser besonderen Ehrung –

ich wünsche uns allen heute gemeinsam eine schöne Feierstunde, und bedanke mich sehr für Ihre Aufmerksamkeit.

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Rückblick Friedenspreis Dresden – International Peace Prize 2025

Das war die Preisverleihung am 16. Februar 2025
in der  Semperoper Dresden

Den Friedenspreis Dresden 2025 erhielt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. Der Präsident des Gerichtshofes, Marko Bošnjak, nahm den Preis entgegen. 

Mit der Verleihung des Friedenspreises Dresden soll der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte für sein Wirken geehrt werden. Die erfolgreich vor dem Gerichtshof verhandelten Prozesse, die von dieser Institution mit Vehemenz verfolgt und fortgeführt werden, sind ermutigend für die Verteidigung der Menschenrechte für jeden Einzelnen. 

Musikalisch umrahmt wurde die Preisverleihung von Wolf Biermann, der World-Jazz-Band Masaa und dem Ensemble Mediterrain, bestehend aus internationalen Mitgliedern der Dresdner Philharmie und der Sächsischen Staatskapelle.

Die Schauspielerin Claudia Michelsen las Texte von Erich Kästner, musikalisch begleitet vom Gitarristen Frank Fröhlich.

Grußworte hielten Dresdens Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch und die Sächsische Staatsministerin der Justiz, Constanze Geiert. Die Laudatio auf den Preisträger hielt die Bundesjustizministerin a.D. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die Schweizer Klimaseniorinnen gaben Einblicke in ihre erfolgreiche Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

Moderiert wurde die Veranstaltung von Peter Ufer.

Zu Beginn der Veranstaltung wurde dem ehemaligen Bundesminister Gerhart Baum gedacht, einer der Väter des Friedenspreis Dresden und Präsident des Kuratoriums Friedenspreis Dresden. Er verstarb einen Tag vor der Festveranstaltung im Alter von 92 Jahren in Köln.

Pressemitteilung 30.01.2025 – Friedenspreis Dresden 2025

Einmaliges Musik-Projekt für den Friedenspreis Dresden

Dresden. Die Proben für die Verleihung des Friedenspreis Dresden in der Semperoper laufen auf Hochtouren. Die Jazzgruppe Masaa und die Musikerinnen und Musiker der Dresdner Philharmonie und der Sächsischen Staatskapelle, die sich zum Ensemble Mediterrain an zusammengeschlossen haben, bereiten sich intensiv auf ihren Auftritt am 16. Februar vor. Erstmals spielen die Band und das Orchester gemeinsam, bringen Jazz und Klassik im Crossover zusammen.

Insgesamt 20 Musikerinnen und Musiker führen Kompositionen auf, die die europäischen Kulturen repräsentieren, nach musikalischer Freiheit, stilistischer Vielfalt und kultureller Grenzenlosigkeit klingen und damit einen kaum abschätzbaren Seltenheitswert besitzen. Die Texte der Lieder werden in Deutsch, Italienisch, Französisch, Englisch und Arabisch gesungen.

Eröffnen wird die Preisgala Liedermacherlegende Wolf Biermann, der sich sein Leben lang für Menschenrechte eingesetzt hat. Der 88-Jährige will in Dresden ein besonderes Zeichen setzen. Denn den Friedenspreis Dresden erhält in diesem Jahr der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. Dessen Präsident, der Slowene Marko Bošnjak, wird die Ehrung persönlich entgegennehmen. Die Laudatio auf den Preisträger hält die Bundesjustizministerin a. D. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.

Zu der außergewöhnlichen Matinee wird zudem die in Dresden geborene Schauspielerin Claudia Michelsen auftreten, die Friedenstexte von Erich Kästner liest. Begleiten wird sie von dem Gitarristen Frank Fröhlich.

 

Hintergrund: Preisträger Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gehört zum Europarat und wurde 1959 in Straßburg errichtet.Er entscheidet über Beschwerden, in denen eine Verletzung der in der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) niedergelegten Rechte gerügt wird.

Die Institution ist ein Markenzeichen Europas. In seiner über sechs Jahrzehnte währenden Geschichte hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte auf vielfältige Weise zur Entwicklung gemeinsamer europäischer Standards in schwierigen Bereichen beigetragen und einen Geist des »Europäischen« geprägt.

In einer Zeit, in der der Zeitgeist zunehmend von einer Hinwendung zur Realpolitik einerseits und populistischen und vereinfachenden Herangehensweisen an die komplexen Probleme des modernen Lebens andererseits geprägt ist, muss die Stimme des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte mehr denn je gehört werden.

Die Botschaft des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, der die Rechte des Einzelnen an erste Stelle setzt und davon überzeugt ist, dass visionäre Friedensprojekte im Alltag beginnen sollten, ist heute besonders aktuell. Die Preisverleiher schätzen es, dass die Türen des Gerichtshofes für alle offen stehen – sei es eine junge Frau aus der Türkei, die unter häuslicher Gewalt gelitten hat, ein Häftling in einem französischen Gefängnis, der in einer überfüllten Zelle festgehalten wird, eine Mutter in Schweden, die ihr Kind aufgrund einer psychischen Erkrankung nicht sehen kann, ein ungarischer Richter, der »entlassen« wurde, weil er die Regierungspolitik kritisierte, ein estnischer Bankmanager, der des Betrugs beschuldigt wird und kein faires Verfahren erhält, oder ein aserbaidschanischer Blogger, der gegen die öffentliche Vorverurteilung Einspruch erhebt.

Eine weitere Leistung der Rechtsprechung des Gerichtshofs, die die Initiative Friedenspreis überzeugt, ist, dass sie besonders schutz- bedürftigen Menschen zugutekommt, aber auch die Belange aller anderen anspricht, die in ihrem Leben mit unüberwindbaren Schwierigkeiten konfrontiert sind. Unserer Ansicht nach kann eine Institution wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einer Zeit, in der in Europa Krieg wütet und viele Menschen den Glauben an Recht und Gerechtigkeit verloren haben, neuen Mut und neue Hoffnung geben.

Aus all diesen Gründen hat das Gremium beschlossen, den Dresdner Friedenspreis 2025 dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu verleihen. Die Verleihung wird im Rahmen einer feierlichen Zeremonie in der Semperoper in Dresden stattfinden.

 

Der Preis

Der Friedenspreis Dresden geht auf private Initiativen zurück, unterstützt wird der mit 10.000 Euro dotierte Preis von der Klaus Tschira Stiftung. Initiiert hat ihn 2010 der deutsch-amerikanische Wissenschaftler Günter Blobel. Der Medizin-Nobelpreisträger war im Februar 1945 als Kind durch das unzerstörte Dresden gekommen, seine aus Schlesien stammende Familie war auf der Flucht vor der Roten Armee. Wenige Tage später erlebte Blobel den Feuersturm ein paar Kilometer von Dresden entfernt. Mit der Idee eines internationalen Friedenspreises wollte Blobel auch seiner im Krieg getöteten Schwester ein Andenken setzen. Aber vor allem wollte er und will die Initiative Friedenspreis Dresden diejenigen würdigen, die sich um den Frieden verdient gemacht haben. Günter Blobel, der 2018 verstarb, bat den Stifter und Mitgründer des Software-Unternehmens SAP, Klaus Tschira (1940 – 2015), um Unterstützung des Preises.

Die Klaus Tschira Stiftung, die Naturwissenschaften, Mathematik und Informatik fördert, setzt mit dem Friedenspreis Dresden ein starkes Zeichen: Wissenschaft kann nur in einer friedlichen Welt ihr volles Potenzial entfalten und zur Lösung globaler Herausforderungen beitragen. Frieden ist nicht nur eine Voraussetzung für wissenschaftlichen Fortschritt, sondern Wissenschaft selbst kann – als Brücke zwischen Kulturen und Nationen – ein Motor für den Frieden sein.

 

Bisherige Preisträger

2024 Alexej Nawalny (posthum), Jurist, russischer Oppositionspolitiker
2023 Daniel Libeskind, polnisch-amerikanischer Architekt
2022 Roger Cox, niederländischer Klimaanwalt
2021 Dr. Cristina Marín Campos, spanische Ärztin
2020 Muzoon Almellehan, syrische Bildungsaktivistin
2019 Kim Phuc Phan Thi, das »Napalm-Girl«
2018 Dr. Tommie Smith, Boxlegende und Menschenrechtler
2017 Domenico Lucano, Bürgermeister des Flüchtlingsdorfes Riace
2016 Daniel Ellsberg, Urvater der Whistleblower
2015 SKH Herzog von Kent
2014 Emmanuel Jal, ehemaliger Kindersoldat und Musiker
2013 Stanislaw Petrow, Der Mann, der die Welt rettete
2012 James Nachtwey, Kriegsfotograf
2011 Daniel Barenboim, Dirigent und Pianist
2010 Michael Gorbatschow, Nobelpreisträger

 

Preis-Skulptur

Die Preis-Skulptur schuf die Dresdner Künstlerin Konstanze Feindt-Eißner. Die Bronze ist eine leicht abstrahierte, freie Nachempfindung der Figur »Ernst« des Mozartbrunnens im Blüherpark Dresden, gescha en 1907 von dem Berliner Bildhauer Hermann Hosaeus. Am 13. Februar 1945 wurde die Originalfigur stark beschädigt und steht jetzt im Lapidarium Dresden. Genau diese Kriegsschäden sollten auch an der Preisfigur zu sehen sein. Für den 2024 neu vergebenen Preis wurde die zugrunde liegende Figur in Gips und auch in Wachs von der Künstlerin überarbeitet. Die Figur zeigt Verletzungen vom Angriffskrieg wie die versehrte Hand, um die Symbolkraft zu verdeutlichen. Feindt-Eißner: »So stellt die Figur aus meiner Sicht eine Symbiose aus Verletzlichkeit, Friedenssehnsucht und Symbol für Wehr- und Wahrhaftigkeit dar.«